Welcome to Bavaria! Fasching
Oder: Warum Flucht nicht immer die beste Lösung ist!
Ich bin ein Faschingsmuffel. Und das kommt nicht von ungefähr, denn diese Abneigung kam erst. Kein Wunder, wenn man aus einer Region kommt, in der Fasching maßloses Ausrasten bedeutet. Das war auch einer der Gründe, warum ich guten Gewissens nach Bayern gezogen bin. Denn diese paar Tage – Altweiberfasching bis Faschingsdienstag – waren in Mainz nicht zu ertragen. Vor allem Rosenmontag forderte jährlich von mir einen starken Geduldsfaden. Hunderte Menschen, nein, Tausende, pendeln in die Landeshauptstadt, verkleidet und sturzbetrunken (morgens um zehn Uhr) und bevölkern jede Straße. Nirgendwo war man sicher. Vor lauter Musik, Gesinge und zugespeihten Straßen. Wirklich nicht schön. Einkaufen oder normale Aktivitäten konnte man Rosenmontag vergessen. Selbst Zuhause sein und nichts tun war nahezu unmöglich.
Deshalb blieben eigentlich immer genau zwei Optionen:
Mitmachen – wofür man einen gewissen Alkoholpegel braucht, sonst fühlt man sich
wie ein Alien – oder Flucht. Meistens machte ich mit. Ich verkleidete mich (an
den meisten Rosenmontagen war es eiskalt, also mussten unter das Kostüm noch
drei Schichten Pulli, Unterhemd und Strumpfhosenleggins, ich sah also nicht nur
aus wie ein Rotkäppchen, Cowgirl, Indianer, sondern auch jedes Mal wie das
Michelinmännchen). Letzten Endes fror ich trotzdem fürchterlich. Denn auch wenn
der Zug offiziell um 11.11 Uhr beginnt, verzögert sich oft alles. Heißt, man
kommt um 10 Uhr, um einen guten Platz zu bekommen, wartet aber unweigerlich bis
mindestens 12 Uhr, bis der Umzug an einem vorbeizieht. Und dann geht dieser
Umzug auch noch vier Stunden. Also bis 16 Uhr Minimum. In der Zwischenzeit hat
man natürlich den mitgebrachten Alkohol vernichtet und pegelt vor sich hin. Wie
gesagt, alles andere ist nahezu unmöglich, denn man erträgt Wahnsinn nur durch
mindestens genauso viel Wahnsinn. Anschließend zog es alle in Richtung Höfchen
oder Schillerplatz, denn dort findet die Rosenmondnacht statt. Zu lauter Musik
– von Charts bis Schlager (ja, auch „An Rosenmontag bin ich geboren“ und „Das
rote Pferd“ sind dabei) – feiert die betrunkene Horde bis tief in die Nacht. Im
Kostüm.
Vor zwei Jahren sind wir nach Hause geflohen. Was nötig war.
Denn mit wenig Alkohol nervt einen irgendwann die Rücksichtslosigkeit der
Narren. Aber auch da keine Ruhe. Stattdessen wummerte in der Dönerbude unter
dem Haus der fette Elektrobass, bis tief in die Nacht hinein. Seitdem ist mir
klar: Ich hasse Fasching. Ich möchte wirklich meine Ruhe. Keine Sauforgien,
keine betrunkenen Irren, die sich verkleiden, und keine laute Schunkelmusik.
Deshalb mein Hoffnungsfunke: In Bayern gibt es das nicht!
Ha! Da hab ich tatsächlich Ruhe, kann arbeiten gehen. Ein ganz normaler Tag! Juhu!
Aber ganz so leicht ist es dann doch nicht. Denn es gibt auch hier den
Fasching. Kleine Umzüge, vorwiegend am „glumpigen Donnerstag“ oder am
Faschingsdienstag. Außerdem Faschingsbälle, aber nur vereinzelt Kappesitzungen
(die ich immer noch am besten fand).
Und der Höhepunkt: Da ich aus Mainz komme, muss ich
mitmachen. Ich darf Rathausstürmungen und Faschingsumzüge ansehen und
schreiben. Ich war sogar auf dem Faschingsumzug in meinem Arbeitsort eingeplant
worden, denn unsere Redaktion ging mit. Noch besser: Ich wurde abgelichtet und
bin auf der lokalen Seite 1 auf einem Foto zu sehen. Bei einem Faschingsumzug.
In Bayern.
Aber es gibt auch etwas Schönes daran. Wir hatten
sommerliche 18 Grad und der Umzug ging bloß eine halbe Stunde. Und jetzt ist
Fasching zum Glück erst einmal vorbei. Auch in Bayern.
PS: Als ich Dienstag auf einem kleinen Umzug stand, das muss
ich jetzt noch zugeben, und ihn mir ansah, um darüber zu schreiben, wurde mir
auch plötzlich ganz schwer ums Herz. Denn dieses war das erste Jahr, an dem ich
nicht in meiner Heimat war, an dem ich mich nicht über die Mainzer Narren
ärgerte oder mit in der Menge stand. Da hatte ich schon ein bisschen Pippi in
den Augen.
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