Mein Plädoyer... ans Alleine sein!

Mittwochnachmittag, kurz vor vier. Alle stehen kurz vor ihrem Feierabend, es wird über das nach-der-Arbeit gesprochen. Meine Kollegin, nennen wir sie mal Mimi, trifft sich noch mit anderen Kollegen, geht zum Weinstand und dann mal schauen, was passiert. Was tue ich? Stehe blinzelnd daneben und kann mich absolut nicht in ihre Lage - also in ihre Unternehmungslust - hineinversetzen. Stattdessen freue ich mich, selig nach Hause zu fahren - alleine - mir Zuhause einen Tee zu machen - alleine - und meine Lieblingsserie weiter zu sehen. Wie? Natürlich alleine. Das ist nicht jeden Tag so. Meistens verbringe ich den Abend mit meinem Freund, manchmal mit Freunden. Aber es gibt sie eben: Die Momente, in denen ich keine Gesellschaft will, weil ich mir selbst als Gesellschaft genüge. 

Noch gravierender ist das bei Festivals oder Gruppenurlauben. Eine Weile lang mit Leuten, die ich mag, abzuhängen, ist super! Aber spätestens am zweiten Tag brauch ich Zeit für mich. Um etwas zu machen, auf das ich Lust habe. Kein Kompromiss, keine Abwechslung. Da reicht mir auch schon, eine halbe Stunde durchzuatmen beim Spazieren oder ein Buch zu schmökern. Hauptsache, ich kann mich dafür entscheiden und habe eine Zeit lang meine Ruhe. 

Andreas Dengs, www.photofreaks.ws  / pixelio.de
Erstaunlich finde ich immer wieder, wenn Menschen das nicht verstehen. Es gab Abende, an denen ich fest mit Freunden verabredet war, an denen ich aber gemerkt habe, dass es heute einfach nicht geht. Zu viel Stress gehabt, jeden Tag irgendwo herumgewuselt, immer was zu tun. Da zieht meine Psyche irgendwann die Reißleine und verlangt Ruhe. Doch deshalb hatte ich auch schon Ärger, weil es tatsächlich Menschen zu geben scheint, die das nicht brauchen. Die sagen: Warum alleine sein, wenn ich Zeit mit Leuten verbringen kann, die ich mag? Klar, schöne Vorstellung, aber manchmal sind mir selbst die tollsten Menschen auf der Welt zu viel. Sogar mein Freund. Da bräuchte ich eine Isolierkammer mit schönem Licht, meinen Laptop/ein Buch/einen Fernseher und bin total glücklich! 

Umso ärgerlicher finde ich, dass alleine sein von der Gesellschaft nur semi-akzeptiert wird. Man wird dazu gedrängt, möglichst schnell einen möglichst festen Partner zu finden, denn wenn man mit Mitte 30 noch Single, also alleine ist, ist man komisch. Und das ist nur die globale Sicht. Schaut man genauer hin, fängt es ja schon beim Restaurantbesuch an. Wer alleine sitzt, wird neugierig angeschaut. Kaum jemand findet das normal. Noch absurder wird es, wenn man in eine Bar geht und einen Cocktail alleine bestellt. Man wird regelrecht abgewertet, wirkt verzweifelt. Und wer denkt, ich rede hier ganz schön selbstgerecht daher, den kann ich beruhigen. Ich denke oft auch so. 

Deshalb habe ich jetzt auch mal einen Selbstest gewagt. Ich war alleine im Kino. Etwas, das ich immer tun wollte, mich aber nie getraut habe. Denn auch alleine ins Kino gehen ist komisch. Aber ich wollte den Film diesmal gerne sehen, mein Freund nicht, also bin ich nach der Arbeit ins Kino. Zum einen war es ungewohnt, am späteten Nachmittag ins menschenleere Kino zu kommen. Zum anderen wird man immer wieder mit Reaktionen konfrontiert, die einen unsicher machen. Beispielsweise als der Kartenverkäufer mich fragt: "Sind Sie alleine hier?" Und ich kam mir alleine auch echt gierig vor, als ich mir ein kleines Popcorn und ein Eis geholt hab. Oder als ich vor lauter Popcorn und Eis die Kinokarte kaum aus der Handtasche bekommen hätte. Oder als ich im Saal vor einer Gruppe von Leuten Platz nahm, bei der ich schwören könnte, dass sie sich über mich unterhalten haben. Oder - die krasseste Situation - als im Kino der Strom ausfiel, wir im Dunkeln saßen und ich mit keinem darüber reden geschweige denn kuscheln konnte. Aber nichtsdestotrotz war es auch ziemlich cool! Ich habe den Film gesehen, den ich gern sehen wollte, ohne Absprachen oder Kompromisse, ich hatte Zeit für mich, konnte abschalten, musste nicht reden, wenn ich nicht wollte und hab mich insgesamt verdammt frei und selbstbestimmt gefühlt. 

Trotzdem würde ich es vermutlich nicht mehr machen, denn mit Freunden oder meinem Freund macht Kino mehr Spaß. Alleine die Diskussion nach dem Film fehlte mir ganz schön. Und ob ich als nächstes alleine essen gehe oder sogar in eine Bar, sei auch mal dahin gestellt. Aber das mit dem alleine sein möchte ich beibehalten. Sei es, dass ich mich in unserer Wohnung verschanze, wenn mein Freund auf ein Bier mit Kollegen ist oder dass ich vielleicht sogar mal einen Wochenendtrip ganz alleine mache. Denn die Qualitytime mit sich selbst ist eben auch super wichtig.

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