Meine 5 Minuten gehen diese Woche an... Frollegen!

Ich erinner mich noch ziemlich genau. Es war letztes Jahr, das Bewerbungsgespräch für den jetzigen Job. Alles lief super, ich bekam die Zusage, mein zukünftiger Chef schüttelte mir die Hand und mir fiel siedend heiß diese Frage ein: "Gibt es auf der Arbeit einen Dresscode?" Er lachte kurz und meinte, nein, den gebe es nicht, ich könne kommen, wie ich mich normal auch anziehe.

Im Ersten Moment war das natürlich eine kleine gute Nachricht, im Vergleich zu der Zusage. Aber dieser positive Gedanke verflog spätestens am Morgen vor meinem ersten Tag. Denn es kamen Zweifel: Was, wenn es zwar keinen offiziellen Dresscode gibt, alle aber trotzdem total schick sind? Ich entschied mich wagemutig gegen dunkle Jeans und Bluse, sondern für eine helle Blue Jeans, ein Printshirt und Chucks. Im Nachhinein total verrückt, aber richtig. Es lief nämlich jeder so herum, wie er mochte. Einige schick mit Pumps und Blazer, andere im Longsleeve und Rock, eine in extravaganten Kleidchen. Ich passte rein.

Obwohl diese Kleiderordnung so nichtig und winzig erscheint, war sie im Nachhinein etwas Riesiges. Ich durfte so kommen, wie ich auch außerhalb der Arbeit war. Kein Verstellen, kein Verkleiden. Genau das geht über den Dresscode hinaus, ist sogar ein Grundsatz, der sich auf die ganze Firma bezieht. Sei, wie du bist.

Dazu zählt auch das Verhalten. Ich musste keine bestimmte Etikette wahren. Ich konnte mit den Kollegen belanglos quatschen, ich konnte meine Arbeitszeit nach belieben einteilen und mir jederzeit Kaffee holen. Mir wurde direkt das Du von meiner gesamten Belegschaft angeboten. Alles relativ locker eben. Damit sind auch die sozialen Beziehungen gemeint. In der Kaffeepause fängt man an, über Privates zu reden, man geht mal auf ein Feierabendbier. Schließlich lernen sie mich so kennen, wie ich bin - und umgekehrt. Die Distanz, die man in Anzug oder Kostüm künstlich wahrt, fällt weg.

Genau darin sieht Angelina Slavik, Autorin bei der Süddeutschen, ein Problem. Die Grenzen zwischen Privat und Beruflich verschwimmen zu sehr. Man trennt nicht mehr. Die Gründe, die sie dafür nennt: Man hat durch den Job zu wenig Zeit für die "echten Freunde", verwechselt Kollegenschaft mit Freundschaft. Und das Problem, das sie sieht: Man reibt sich zu wenig beruflich, begegnet sich mit so viel Nähe, dass die Produktivität wegfällt. Außerdem, klarer Punkt, ermöglicht man der Firma dadurch, auch privat erreichbar zu werden. Die Arbeit kapert das Private. Genauso umgekehrt. Statt zu Arbeiten redet man über private Probleme. Das nimmt Einfluss. Oder?

Martin Moritz  / pixelio.de
Mir ist das zu radikal. Was spricht dagegen, mit Kollegen ein gutes Verhältnis zu pflegen? Dass automatisch jeder zu einem Freund wird, ist ein ganz anderer Punkt. Intimität und emotionale Nähe enstehen trotz ständig geteilter Zeit nicht zwischen jedem, das braucht schon mehr als ein Du und eine Jeans, die man statt Bleistiftrock trägt. Freundschaften finden ist zusätzlich gerade an neuen Orten echt schwer. Wer eine 40-Stunden-Woche hat, wird nur schwer Zeit finden, sich Hobbys zu suchen, um neue Leute zu treffen. Wieso nicht einige der Kollegen mal auf ein Bier treffen. Sind auch nur Menschen, manchmal sogar nette, und wer sich normalerweise auch verstehen würde, sollte die Arbeit nicht als künstliches Hindernis aufbauschen. Dass Privates Einfluss auf die Leistung hat, steht außer Frage. Aber eher insofern, als dass man mal traurig oder wütend und so ohnehin beeinflusst ist. Hat man jemanden, bei dem man mal kurz emotional sein kann, hilft das manchmal ungemein. Außerdem kann man Themen und Zeitpunkte steuern. Im Büro mal eben das Gespräch zu suche, ist sicherlich keine Lösung. Bei der Mittagspause - warum nicht? Das letzte Argument, das Slavik nennt, nämlich die Erreichbarkeit, lässt sich auch klar regeln. Urlaub ist Urlaub, Freizeit ist Freizeit. Wenn man über Berufliches reden möchte - bitte. Kann man mit den Kollegen beim Bier. Will man nicht, sagt man das. Kommunikation ist alles. Und der Chef hat, auch wenn man sich mag, nicht das Recht, im Urlaub Ratschläge zu verlangen. Alles eine Sache der Grenzen, die man selbst zieht.

Nach eineinhalb Jahren im Job bin ich froh, dass das alles dort sehr locker ist. Die Grenzen machen zwar manchmal Sinn, oft aber nicht. Ich mag einige Kollegen sehr, einen davon hab ich tatsächlich ins Herz geschlossen. Aber eben nur einen und nicht die gesamte Belegschaft. Und vor meinem Chef habe ich, trotz Jeans, Printshirt und Chucks, noch Respekt.


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